„Zähneputzen ist doof…“

Jeden Abend gab es bei uns das Ritual des Zähneputzens. Das Ritual begann meist mit meiner Aufforderung an die Kinder, dass es jetzt an der Zeit dazu wäre. Meistens gab es Proteste, die in seltenen Fällen auch in Totalverweigerung umschlagen konnten.

„Warum soll ich Zähne putzen? Zähneputzen ist doof…“

In der ersten Eskalationsstufe kündigte ich an, dass der allabendliche Kinderkanal (Wissen mach Ah, Checker Tobi usw.) geschlossen bleibt. Das zeigte zumeist die gewünschte Wirkung.

Wenn das nicht funktionierte musste ich in hartnäckigen Fällen den Ausfall der allabendlichen Gute-Nacht-Geschichte in Aussicht stellen. Hier konnte ich bereits eine hohe Erfolgsquote verzeichnen.

An den wenigen Abenden, wo das seelische Gleichgewicht einer Kinder hinsichtlich des bevorstehenden Zähneputzens außer Kontrolle geriet, musste ich wohl oder übel das ultimative Druckmittel einsetzen. Es war das letzte in meinem Arsenal gegen Zähneputz-verweigernde Kinder. Ich musste tatsächlich damit drohen, dass die Kinder, wenn sie nicht gleich zum Zähneputzen kämen, ihre Zähne heute nicht mehr putzen dürften.

„Keine Chance!! Wenn ihr jetzt nicht kommt, ist es gelaufen! Da geht heute nichts mehr! Und ihr müsst mit euren Bakterien ins Bett gehen!!“

Was für eine irre Argumentation! Was zuerst wie ein Paradoxon klingt, hat schließlich immer funktioniert. Unter Tränen, dass ich gemein wäre und das nicht tun dürfte, stürmten sie das Badezimmer und rissen mir die Zahnbürsten aus den Händen und putzten ihre Zähne.

Meine Tochter konnte sich die Zähne schon selber putzen. Hier half ich höchstens hin und wieder beim Nachputzen.

Für meinen Sohn setzte mich mit der Zahnbürste im Anschlag zuerst auf den Wannenrand. Dann kam er und ich nahm ihn auf den Schoß. Mit der linken Hand hielt ich ihn fest, damit er nicht runterfällt. In meiner Rechten hatte ich die elektrische Kinderzahnbürste mit der Zahnpasta.

Dieser Moment mit meinem Sohn war für mich ein ganz besonderer Moment, auf den ich mich jeden Abend freute. Wir kuschelten uns, ich schloß manchmal für einen Moment die Augen, während ich an seinen Haaren schnupperte und erzählte ihm, was ich gerade mit der Zahnbürste mache, wie die Bakterien gerade in Panik gerieten und sich versuchten zu verstecken ….

Dieses Ritual gab es jahrelang. Abend für Abend. In der Zeit bevor ich mich von meiner Frau getrennt habe. Bevor ich die gemeinsame Wohnung verlassen habe. Bevor sich meine Kinder entfremdet haben.

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