Geige und Bogen …

Samstag. Heute sehe ich meinen Sohn und freue mich schon wahnsinnig darauf.

Ich parke vor dem Haus. Er kommt raus und steigt gleich ein. Er scheint gutgelaunt. Ist in den ersten Minuten nicht so zurückhaltend, wie ich es schon oft erlebt habe.

Wir fahren los. Er erzählt mir begeistert von seinem Modellbaukurs, den er in der Schule besucht. Ein älterer Herr, der schon in Rente ist und ein richtiger Modellbaufreak zu sein scheint, baut mit den Kindern kleine Fahrzeuge, die mit Sensoren ausgestattet werden. Die Autos können Hindernisse erkennen und umfahren können oder auf einer Linie am Boden entlang fahren. Die Kinder bauen die Autos unter Anleitung und löten auch die elektronischen Bauteile selber zusammen.

Dann fragt mich mein Sohn, ob er nicht von der Oma seine Geige haben könnte.

Im ersten Moment bin ich überrascht. Überrascht, dass er, auch wenn es erstmal nur um ein Instrument, ein Gegenstand geht, er hierdurch eine Verbindung zu seiner Oma, meiner Mutter aufnimmt.

Ich will es nicht überbewerten und dennoch kommt es angesichts des schon seit langem herrschenden Kontaktabbruchs zu meinem Teil der Familie unerwartet.

Seine Oma, meine Mutter starb 2012. Er war damals zwei Jahre alt. Sie war Musiklehrerin und unterrichtete Geige und Klavier. Sie hatte im Laufe der Zeit für ihre Schüler einen großen Fundus an Leihinstrumenten, Geigen in allen Größen angelegt. Es müssen an die 30 Geigen gewesen sein. Meine Mutter hatte schon zu Lebzeiten bestimmt, dass jedes Enkelkind mindestens eine Geige bekommen sollte. Als sie starb, übernahmen meine beiden Schwestern die Geigen, die für die Enkel bestimmt waren. Die übrigen Geigen, den größten Teil spendeten wir an ein SOS-Kinderdorf.

Wir beschliessen, dass ich mich darum kümmere eine für ihn passende Geige von meinen Schwestern zu besorgen. Wegen des Unterrichts werde ich mit seiner Mutter sprechen. Es gibt mehrere Optionen, die ich mit ihr abklären möchte. Unterricht Zuhause, in einer Musikschule oder bei einem Lehrer. Für den Fall, dass er zum Unterricht gebracht werden muss, würde ich das übernehmen.

Als wir überlegen, was wir heute unternehmen könnten, macht er den Vorschlag zum Schloß Thurn, einem Freizeitpark in der Nähe von Forchheim zu fahren. Wir fahren dorthin. Es ist die Zeit vor Halloween und der Park ist entsprechend dekoriert. Haufenweise Kürbisse, Skelette und unheimliche Gestalten an jeder Ecke.

Wir hangeln uns über bewegliche schmale Plattformen über den See. „Papa, weißt du noch, dass dir hier mal dein Handy reingefallen ist?“

Wir lassen uns treiben … Bullenreiten, Wasserrutsche, Westernshow, Zauberakrobatik … Dazwischen etwas essen … wir haben unseren Spaß … Wir kommen in einen Laden in dem es alles gibt, was das Herz eines angehenden Ritters höher schlagen lässt: Holzschwerter, Bögen, Armbrüste, Rüstungen …. Bei Pfeil und Bogen leuchten die Augen meines Sohnes besonders … ein Herzenswunsch …

Wir nehmen den kleinsten Bogen und drei Pfeile mit Gummipropf. Er schnappt sich den Bogen, hüpft, drückt mich beim Rausgehen, bedankt sich überschwänglich. Ich kann mich genau an dieses Gefühl aus meiner eigenen Kindheit erinnern und freue mich mit ihm.

Wir fahren zurück nach Nürnberg. Ein Stunde haben wir noch, wir gehen noch in den Park um den Bogen ausgiebig zu testen … Dann bringe ich ihn Nachhause.

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