Karakal ….

05. April 2019

Es war Freitag und ich holte meinen Sohn pünktlich um 15:00 vom Hort ab. Er rannte von hinten auf mich zu, da ich ihn im Hof nicht gesehen habe und begrüßte mich gut gelaunt. Wir holten noch seine Sachen und fuhren dann mit dem Auto in die Stadt und stellten es im Parkhaus ab. Er sagte er wollte mir etwas im Adidas-Shop zeigen, allerdings war der wohl umgezogen und wir wussten beide nicht wo der neu Laden ist und beschlossen durch die Fussgängerzone zu laufen und ihn zu suchen.Wir kürzten auf dem Weg dorthin ab, indem wir durch ein Bekleidungshaus liefen. Da sagte er plötzlich, daß er eine neue Hose bräuchte. Wir orientieren uns kurz und fuhren dann mit der Rolltreppe ins oberste Stockwerk zur Kinderabteilung.

Er hatte schon eine genaue Vorstellung, eine Jeans in grau oder schwarz sollte es werden Wir schnappten uns gleich eine Verkäuferin, die uns bei den weiteren Aktivitäten behilflich war. Er wählte sich drei verschiedene Designs aus, die Verkäuferin suchte für uns die passende Größe und wir gingen damit zu einer Umkleidekabine. Er schlüpfte zuerst in eine kohlschwarze „superslim“ Jeans von Garcia. Sie passte ihm wie angegossen. Er probierte noch eine hellgraue, die ihm etwas zu eng war und entschied sich schnell für die erste. Auf dem Weg zur Rolltreppe blieben wir noch an einem Verkaufstisch mit Sweatshirts stehen. Ein Hoody mit einem peppigen orange-braunen Camouflage hatte es ihm angetan. Dann noch ein T-Shirt, dass sich dann als Schlafanzug mit kurzer Hose entpuppte. Als er das Hoody in der Kabine vor dem großen Spiegel anprobierte, vollführte er mit einem Strahlen im Gesicht kleine Hip-Hop-Moves und verschränkte seine Arme mit abgespreizten Fingern. Ich glaube ihm gefielen die Klamotten. Das zu sehen machte mich glücklich. Er war eine ganz normaler kleiner Junge, mit einer gesunden Portion Selbstbewusstsein und Eitelkeit. Vielleicht waren das schon die Vorboten der Pubertät? Egal, ich fand´s toll.

Als nächstes landeten wir in einem Sneakers-Laden. Dort sahen wir uns etliche Modelle an, bis ich plötzlich ein NASA-T-Shirt entdeckte, was mich vollkommen begeisterte. Ich kaufte eins in meiner und eins in seiner Größe. Er wollte es aber nicht haben. Beim Zahlen sagte der Verkäufer mit einem Augenzwinkern etwas Nettes so in der Richtung “ … aha, also im Partnerlook…“

Danach in den großen Müllermarkt. B. musste mal und wir gingen ins Untergeschoß. Dort begegneten wir einem kleinen Mann mit einem überdimensionalen Hund, der wahnsinnig viel Fell hatte und dem Mann bis zum Bauchnabel reichte. B. wollte den Mann unbedingt fragen, was das für eine Rasse wäre. Wir folgten ihnen lange durch die Gänge. Sie waren flott unterwegs und bogen immer wieder in Gänge ab, bis wir es irgendwann geschafft haben, weil der Mann an einem Regal stehen blieb. B. ging auf ihn zu und fragte. Es stellte sich heraus, dass es ein Neufundländer war. B. war zufrieden und wir fuhren mit der Rolltreppe ganz nach oben zu der CD-Abteilung. Dort stöberten wir in der HipHop-Ecke. Immer wieder nahmen wir uns die eine oder andere CD heraus „Schau mal, kennst du die? ….Kennst du den? ….Die ist toll, von der kenn ich zwei Lieder…“

Dann entdeckte ich die CD von Bilderbuch, einer östereichischen Band, von denen ich gerade ein Lied besonders mag. Nie (Game over)…. Der Titel passt gut, er passt eigentlich immer. Nicht aufgeben….nie aufgeben ….

Irgendwann sagte er “ Ich glaube L. mag die hier“ und deutete auf eine CD im Regal. Es war eine CD von Billie Eilish „When we all fall asleep, where do we go?“ Ich schaute sie mir an und nahm sie dann auch mit. Wir gingen zur Kasse, zahlten und verliessen den Laden.

Dann meldete sich der Hunger bei uns. Ich kaufte an einem Stand einen Crêpes für meinen Sohn und am Nachbarstand ein syrisches Fallafell. Wir setzen uns auf eine Bank unter einem Baum, ließen es uns schmecken und beobachteten das Treiben um uns herum. Dabei probierten wir gegenseitig unser Essen. Mein Sohn zupfte dann an seinem Crêpes und warf dann ein kleines Stückchen zu einer Taube, die in einiger Entfernung von uns auf dem Boden saß. Binnen einer Sekunde fiel ein Schwarm von zwanzig weiteren Tauben über das Stück her und bedrängten uns, ihnen auch den restlichen Crêpes zur Verfügung zu stellen. Muss wohl der Rest der Familie gewesen sein.

Die Sonne schien und wir zogen weiter Richtung Cinnecitta … auf dem Weg dorthin kamen wir am Katzentempel vorbei, einem Café in dem es Katzen gab. B. kannte es schon und wollte dorthin. Also machten wir es. Man wird dort an einer Schleuse in Empfang genommen und kann dann eintreten. Wir setzten uns und bestellten uns Limonade. In meinem Smartphone zeigte er mir seine aktuellen Lieblingstiere. Es ist eine kleine Raubkatze mit sehr langen spitzen Ohren, ein Karakal. Ein sehr schönes, besonderes Tier, wie ich ihm bestätigte. Dann noch die Geparden.

B. begann dann Kontakt mit den Katzen aufzunehmen, mit ihnen zu spielen und sie zu streicheln. Eine mochte er besonders. Es gab vorbereitete Spielangeln. Das waren kleine Stöckchen mit einer Spielzeugmaus oder einem Stoffvogel an der Leine. Er nahm sich so ein Stöckchen, rannte damit durch den Laden und versuchte eine der Katzen damit anzulocken und zum Toben zu bewegen.

Er kam dazwischen immer wieder zurück zu unserem Platz, wir unterhielten uns und er trank von seiner Limonade. Wir beobachteten die Leute. Es war ein sehr harmonischer Ort. Irgendwann gingen wir.

Wir liefen den weiten Weg zurück zum Parkhaus, dem Ausgangspunkt unserer Unternehmung. Kurz bevor wir dort ankamen, erinnerte ich mich an ein kleines Geschäft, das handgemachte Grußkarten, Geschenkanhänger und so etwas hatte. Ich wollte die CD, die ich meiner Tochter schenken wollte mit einer kleinen Karte versehen. Um dorthin zu kommen mussten wir nochmal umdrehen und ein Stück zurücklaufen. Ich erklärte es ihm und sagte dass es auch nicht weit wäre.

Nachdem wir wenige Schritte zurückgelaufen waren, drehte er sich wortlos um und lief wieder Richtung Parkhaus. Auf mein Rufen reagierte er nicht. Ich lief noch ein Stück in meiner Richtung weiter und blieb dann aber stehen und sah im nach. Was tun?

Ich drehte um und folgte ihm. Er verschwand in einer Hofeinfahrt. Ich lief erst daran vorbei, doch nach wenigen Schritten kehrte ich um und ging zu ihm. Jetzt war alles anders. Er war nun sauer um nicht zu sagen feindselig. Ich sagte ihm, dass es nicht in Ordnung war einfach umzudrehen und alleine wegzugehen. Für mich war klar, dass ich mein Vorhaben die Karte für meine Tochter zu kaufen begraben musste. Das war mir jetzt auch nicht mehr wichtig.

Ich versuchte wieder ins Gespräch mit ihm zu kommen, aber es half nichts. Er beschimpfte mich übelst und schlug jeden Versöhnungsversuch aus. Ich sagte dann, dass ich ihn jetzt nachhause fahre und es für mich in Ordnung wäre. Er widersprach, er würde nicht mit mir fahren, ich solle seine Mutter anrufen, dass sie ihn abholen solle. Das lehnte ich ab.

Dann meinte er wolle die Klamotten nicht mehr haben, die wir für ihn gekauft hätten, ich solle sie dem Sohn meiner Lebensgefährtin geben. Ich klärte ihn darüber auf, dass das nicht ginge, weil er 4 Jahre älter wäre und ihm die Sachen nicht passen würden.

Nach einer halben Stunde, in der wir abwechselnd debattierten oder schwiegen, setzte ich ihm ein Ultimatum von 5 Minuten sich wieder einzukriegen und mit mir zu kommen. Nach dem die Zeit verstrichen war, unternahm ich einen letzten Versuch. Wie schon zuvor streckte ich meine Hand aus und bat um Frieden. Keine Chance.

Nachdem ich von 10 untergezählt habe, packte ich ihn am Handgelenk und ging mit ihm zum Parkhaus. Auf dem Weg trat er mich, grub seine Fingernägel in meine Finger und kratze dort die Haut an mehreren Stellen auf. Ich spürte in dem Moment keinen Schmerz. Mit ihm im Schlepptau bezahlte ich am Automaten, schleppte ihn von dort die Treppen runter zum Auto und setzte in dann rein auf die Rückbank. Wortlos stieg ich ein und fuhr in nachhause.

Dort angekommen parkten wir in der Hofeinfahrt. Ich stieg aus und klingelte, aber niemand machte auf. Er stieg auch aus und wir warteten vor dem Haus in der Einfahrt, immer auf Abstand. Nach und nach schien er sich wieder zu entspannen. Er kletterte auf eine Mauer und sprang von dort aus auf das Nachbargrundstück.

Dann entstand eine für mich bizarre Situation. Bizarr deswegen, weil ich diese Situation genau so vor einem Jahr an gleicher Stelle schon mal erlebt hatte. Nur nicht mit ihm, sondern mit seiner Mutter. Immer wenn ich ihm näher kam, fing er an seinen Körper nach hinten zu biegen und sich eng an Mauer oder Hecke an mir vorbei zu drücken. In etwa so, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Nach einer halben Stunde und weiteren Klingelversuchen ertönte plötzlich doch der Türsummer.

Er nahm die Tasche mit den Einkäufen und seine Büchertasche und verschwand in der Tür.


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